Dombrand-Fall · RGZ 82, 206 · Klassiker Zivilrecht

Im heutigen Beitrag beschäftigen wir uns mit dem Dombrand-Fall (RGZ 82, 206), der sich schwerpunktmäßig mit dem Regress bei der unechten Gesamtschuld auseinandersetzt.


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Sachverhalt (vereinfacht)

Das Bistum Fulda (B) wollte in der Domstadt eine Feier anlässlich des 1150. Todestages des Heiligen Bonifatius (Wiederholung: Bonifatius-Fall) veranstalten. Hierzu wurde ein Feuerwerker (F) mit der Durchführung eines Feuerwerks beauftragt. Allerdings hatte dieser fahrlässig mit einer Holzlaterne ein Feuer im Dachstuhl entfacht, sodass der rechte Turm des Doms in Fulda vollständig niederbrannte. Die Kosten für die Instandsetzung wurden vom preußischen Staat (P) als Bauträger getragen, der hierzu nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften verpflichtet war. P verlangt nunmehr von dem F Regress bzw. Ersatz der Reparaturaufwendungen. Mit Erfolg?

Skizze

Problemschwerpunkte

Regress bei unechter Gesamtschuld

Anspruchsgrundlagen

§ 426 I 1 BGB
§§ 683 S.1, 670, 677 BGB
§ 812 I 1 Alt.1 BGB
§ 823 I BGB i.V.m. § 255 BGB analog oder § 242 BGB

Gutachten: Dombrand-Fall

Der preußische Staat (P) könnte gegen den Feuerwerker (F) einen Anspruch auf Ersatz der Reparaturaufwendungen aus eigenem oder abgetretenem Recht (Bistum Fulda (B)) haben.

A. Anspruch aus eigenem Recht

I. Anspruch aus § 426 I 1 BGB

P könnte gegen F einen Anspruch aus Gesamtschuldnerausgleich nach § 426 I 1 BGB haben.

Die Gesamtschuldner sind im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen verpflichtet, soweit nicht ein anderes bestimmt ist.

§ 426 I 1 BGB

Dies setzt allerings voraus, dass P und F Gesamtschuldner (§ 840 BGB) sind.

Jedoch bilden P und F keine Tilgungsgemeinschaft i.S.d. § 422 I BGB.

Die Erfüllung durch einen Gesamtschuldner wirkt auch für die übrigen Schuldner.

§ 422 I 1 BGB

Schließlich wäre nur P durch Leistung des F frei geworden, nicht aber umgekehrt. Denn P war nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften zur Instandsetzung verpflichtet. Somit besteht kein Gesamtschuldverhältnis. Ein Anspruch des P gegen F aus § 426 I 1 BGB scheidet deshalb aus.

II. Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag, §§ 683 S.1, 670, 677 BGB

P könnte gegen F einen Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag aus §§ 683 S.1, 670, 677 BGB haben.

1. Fremdes Geschäft

Dann müsste P mit der Instandsetzung ein fremdes Geschäft geführt haben.

Fremd ist ein Geschäft, wenn es in den Interessen- und Pflichtenkreis eines anderen fällt.

Ein fremdes Geschäft wurde vom Reichsgericht bejaht. Nach heutigem Verständnis ist dies allerdings problematisch. Denn der preußische Staat (P) als Träger der Kirchenbaulast ist grundsätzlich selbst verpflichtet, für die Instandsetzung des Doms zu sorgen. Damit liegt kein objektiv fremdes Geschäft, sondern wegen der eigenen Pflicht ein auch-fremdes Geschäft vor.

2. Fremdgeschäftsführungswille

Strittig ist, wann beim auch-fremden Geschäft ein Fremdgeschäftsführungswille vorliegt.

Nach einer Ansicht sind konkrete Anhaltspunkte für einen Fremdgeschäftsführungswillen erforderlich. Nach anderer Ansicht hingegen wird dessen Vorliegen widerlegbar vermutet.

Derr Streit, wann beim auch-fremden Geschäft ein Fremdgeschäftsführungswille vorliegt, kann dahinstehen, sofern der Anspruch aus §§ 683 S.1, 670, 677 BGB aus anderen Gründen scheitert.

3. Ohne Auftrag oder sonstige Berechtigung

Ein Auftrag oder eine sonstige Berechtigung i.S.v. § 677 BGB, d.h. eine besondere Verpflichtung im Verhältnis zwischen Geschäftsherrn und -führer aus bestehender Sonderverbindung, liegt nicht vor. Die Instandsetzung des Doms erfolgte also ohne Auftrag oder sonstige Berechtigung.

4. Interesse und wirklicher oder mutmaßlicher Wille

Ferner müsste die Geschäftsführung dem Interesse und dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn entsprechen. Sie liegt im Interesse des Geschäftsherrn, wenn sie ihm objektiv nützlich ist. Dies ist der Fall, wenn der Feuerwerker F durch die Instandsetzung des Doms nach § 267 BGB i.V.m. § 362 BGB von seiner eigenen Verbindlichkeit befreit wäre.

(1) Hat der Schuldner nicht in Person zu leisten, so kann auch ein Dritter die Leistung bewirken. Die Einwilligung des Schuldners ist nicht erforderlich.

(2) Der Gläubiger kann die Leistung ablehnen, wenn der Schuldner widerspricht.

§ 267 BGB

(1) Das Schuldverhältnis erlischt, wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird.

(2) Wird an einen Dritten zum Zwecke der Erfüllung geleistet, so findet die Vorschrift des § 185 BGB Anwendung.

§ 362 BGB

Das Reichsgericht hat damals die Geschäftsführung im Interesse des Feuerwerkers F bejaht. Allerdings war der preußische Staat (P) kein Dritter i.S.v. § 267 BGB, da er ausschließlich gehandelt hat, um seine eigene (öffentlich-rechtliche) Pflicht als Baulastträger zu erfüllen.

Die Verbindlichkeiten des F sind damit nicht erloschen. Er muss nach § 249 II BGB Wertersatz in Geld leisten, sodass die Geschäftsführung durch P nicht im Interesse des Feuerwerkers F lag.

5. Ergebnis

Damit liegt kein Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag aus §§ 683 S.1, 670, 677 BGB.

III. Anspruch aus § 812 I 1 Alt.1 BGB

P könnte gegen F einen Anspruch aus § 812 I 1 Alt.1 BGB haben.

1. Etwas erlangt

Dafür müsste F etwas erlangt haben. Hierunter versteht man jeden Vermögensvorteil. Allerdings hat F durch die Instandsetzung des Doms nichts erlangt, da er weiterhin nicht von seinen Verbindlichkeiten befreit ist (s.o., denn P ist kein Dritter, § 267 BGB i.V.m. § 362 BGB).

2. Durch Leistung

Jedenfalls liegt keine bewusste und zweckgerichtetet Mehrung fremden Vermögens, also keine Leistung, vor. P hatte nicht den Zweck, den Feuerwerker F zu bereichern.

3. Ergebnis

Folglich liegt kein Anspruch aus § 812 I 1 Alt.1 BGB vor.

B. Anspruch aus abgetretenem Recht

P könnte aber einen Anspruch auf Ersatz der Reparaturaufwendungen aus abgetretem Recht haben. Dies könnte sich aus § 823 I BGB i.V.m. § 255 BGB analog oder § 242 BGB ergeben.

I. Anspruch des B gegen F aus § 823 I BGB

Das Bistum Fulda (B) hat grundsätzlich einen deliktischen Anspruch nach § 823 I BGB gegen den Feuerwerker F. Dieser hat rechtswidrig sowie fahrlässig und damit auch schuldhaft das Eigentum des B verletzt. Problematisch ist aber das Vorliegen eines Schadens. Ein Schaden ist jede unfreiwillig eintretende Beeinträchtigung des Vermögens oder anderer subjektiver Rechte. Nach der Differenzhypothese liegt ein Schaden vor, wenn der Wert des tatsächlichen Vermögens des Geschädigten nach Eintritt des schädigenden Ereignisses geringer ist, als der Wert, den sein Vermögen bei hypothetischer Betrachtung haben würde, wenn das schädigende Ereignis nicht eingetreten wäre. Jedoch wurde der Dom wieder durch P in Stand gesetzt. Normativ betrachtet war allerdings keine Begünstigung gewollt. Ein Schaden liegt also vor.

II. Wirksame Abtretung

Dennoch kann der Anspruch der B aus § 823 I BGB gegen F nicht ohne Weiteres auf P übergehen, das hierfür eine unmittelbare Rechtsgrundlage im deutschen Recht fehlt.

Angedacht wird eine analoge Anwendung von § 255 BGB, der als allgemeiner Rechtsgedanke die Risikoverteilung regeln soll, oder die Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben.

Wer für den Verlust einer Sache oder eines Rechts Schadensersatz zu leisten hat, ist zum Ersatz nur gegen Abtretung der Ansprüche verpflichtet, die dem Ersatzberechtigten auf Grund des Eigentums an der Sache oder auf Grund des Rechts gegen Dritte zustehen.

§ 255 BGB

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

§ 242 BGB

Dann bestünde eine gesetzliche Pflicht der B zur Abtretung des Schadensersatzanspruchs an P und damit ein Anspruch des P auf Schadensersatz aus abgetretenem Recht gegenüber dem F.

Hier lag nach § 398 S. 1 BGB eine Abtretungsurkunde der Kirche gegenüber dem preußischen Staat vor. Jedoch hat das Reichsgericht festgestellt, dass diese bereits unwirksam ist, da der Genehmigungsbeschluss des Domkapitels fehlte. Es ermangelt einer wirksamen Abtretung.

III. Ergebnis

P hat gegen F keinen Anspruch auf Ersatz der Reparaturaufwendungen aus abgetretem Recht.

C. Gesamtergebnis

Im Ergebnis hat P gegen F keine (Regress-)Ansprüche wegen der Instandsetzung des Doms.

Bildquelle: Pixabay von nir_design (Pixabay License)

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