Edelmann-Fall · RGZ 117, 121 · Klassiker Zivilrecht

In diesem Beitrag beschäftigen wir uns mit dem Edelmann-Fall (RGZ 117, 121) und beantworten die Frage, ob formunwirksame Verträge aufgrund von § 242 BGB ausnahmsweise wirksam sein können.

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Sachverhalt (vereinfacht)

Generaldirektor G versprach dem als Betriebsleiter angestellten B das ihm als Dienstwohnung überlassene Haus. Der B fordert die notarielle Beurkundung. Entrüstet erklärte der Adlige G, dass sich B auf sein Wort als Edelmann verlassen kann. Die notarielle Erklärung sei reine Formsache und könne jederzeit abgegeben werden. Dennoch hielt G sein Versprechen nicht ein. B wendet sich sodann an die Gerichte. Liegt ein wirksamer Schenkungsvertrag vor?

Skizze


Problemschwerpunkte

Wirksamkeit formunwirksamer Verträge im Ausnahmefall aus Treu und Glauben (§ 242 BGB)

Anspruchsgrundlagen

§§ 516 I, 518 BGB

Gutachten: Edelmann-Fall

A. Schenkungsvertrag

Generaldirektor G versprach dem als Betriebsleiter angestellten B das ihm als Dienstwohnung überlassene Haus. Der B war damit einverstanden. Damit liegen hier zwei korrespondierende Willenserklärungen vor, die auf eine Schenkung nach § 516 I BGB gerichtet sind.

B. Wirksamkeit des Schenkungsvertrages

Fraglich ist allerdings, ob der Schenkungsvertrag wirksam ist.

I. Form

Der Schenkungsvertrag könnte nach § 125 S.1 BGB nichtig sein, wenn eine Formvorschrift nicht eingehalten worden ist.

1. Notarielle Beurkundung des Schenkungsversprechens, § 518 I BGB

Das Schenkungsversprechen muss nach § 518 I BGB notariell beurkundet werden.

Zur Gültigkeit eines Vertrags, durch den eine Leistung schenkweise versprochen wird, ist die notarielle Beurkundung des Versprechens erforderlich. Das Gleiche gilt, wenn ein Schuldversprechen oder ein Schuldanerkenntnis der in den §§ 780, 781 BGB bezeichneten Art schenkweise erteilt wird, von dem Versprechen oder der Anerkennungserklärung.

§ 518 I BGB

Vorliegend wurde auf die notarielle Beurkundung verzichtet. Ausgehend von § 518 I BGB ist der Schenkungsvertrag daher nach § 125 S.1 BGB nichtig.

2. Heilung durch Bewirkung der Schenkung, § 518 II BGB

Jedoch kann der Mangel der Form nach § 518 II BGB durch Bewirkung der versprochenen Leistung geheilt werden. Bewirken meint dabei die Vollziehung der Schenkung (vgl. Palandt/Weidenkaff, Kommentar zum BGB, 74. Aufl. 2015, § 518, Rn. 7.).

Der Mangel der Form wird durch die Bewirkung der versprochenen Leistung geheilt.

§ 518 II BGB

Hier hat der G dem B das Haus als Dienstwohnung überlassen, woraufhin der angestellte Betriebsleiter auch dort eingezogen ist. Folglich wurde die versprochene Leistung bewirkt.

Der Formmangel nach § 518 I BGB wurde dementsprechend nach § 518 II BGB geheilt.

3. Notarielle Beurkundung, § 311b I 1 BGB

Allerdings könnte der Schenkungsvertrag gegen die Formvorschrift des § 311b I 1 BGB verstoßen. Danach bedarf das Verpflichtungsgeschäft über eine Grundstücksverfügung der notariellen Beurkundung.

Ein Vertrag, durch den sich der eine Teil verpflichtet, das Eigentum an einem Grundstück zu übertragen oder zu erwerben, bedarf der notariellen Beurkundung.§ 311b I 1 BGB

Hier hat sich der B auf das Edelmann-Wort von G verlassen. Die notarielle Beurkundung ist nicht erfolgt.

4. Heilung durch Auflassung und Eintragung in das Grundbuch, § 311b I 2 BGB

Dieser Formmangel ist nach § 311b I 2 BGB heilbar, wenn die Auflassung und Eintragung in das Grundbuch erfolgt.

Ein ohne Beachtung dieser Form geschlossener Vertrag wird seinem ganzen Inhalt nach gültig, wenn die Auflassung und die Eintragung in das Grundbuch erfolgen.§ 311b I 2 BGB

Hierzu kam es allerdings nicht. Der Schenkungsvertrag ist damit nach § 125 S.1 BGB nichtig.

5. Korrekur des Ergebnisses über § 242 BGB (Treu und Glauben)

Gestützt auf § 242 BGB könnte aus Wertungsgesichtspunkten die Formnichtigkeit ausnahmsweise ausgeschlossen sein.

Vorliegend hat G den B davon überzeugt, von der Einhaltung der Formvorschriften abzusehen. Deshalb könnte ihm die Berufung auf die Formnichtigkeit nach § 242 BGB versagt sein. Indem G sein Ehrenwort in Kenntnis der eigentlich einzuhaltenden Formvorschrift gegeben hat, könnte er gegen Treu und Glauben verstoßen haben. Im Widerstreit gelangen das Interesse nach Rechtssicherheit, verwirklicht durch das Gebot der Formstrenge (§ 125 S.1 BGB), und die Einzelfallgerechtigkeit, verwirklicht durch den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB).

a) Unwirksamkeit des Vertrages – Keine Korrektur von § 125 S.1 BGB

Einerseits könnte man die Position vertreten, dass keine Korrektur von § 125 S.1 BGB durch § 242 BGB erfolgt. Es bleibt bei der Nichtigkeit des Schenkungsvertrages wegen Formverstoßes.

Hierfür spricht, dass B das Risiko der Formunwirksamkeit bewusst auf sich genommen hat. Hier kannte B das Erfordernis von § 311b I 1 BGB. Dennoch hat er den Vertrag geschlossen und muss deshalb die Nachteile und Rechtsfolge des § 125 S.1 BGB hinnehmen. Denn derjenige, der das Formerfordernis kennt, und dennoch den Vertrag schließt, ist nicht schützwürdig. Eine andere Wertung bestünde allenfalls, wenn der G den B arglistig getäuscht und nie vor hatte, den Schenkungsvertrag einzuhalten. Eine Arglist des G ist hier allerdings nicht nachweisbar.

b) Wirksamkeit des Vertrages – Korrektur von § 125 S.1 BGB

Andererseits könnte man vertreten, dass eine Korrektur der Nichtigkeitsfolge von § 125 S.1 BGB nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) erforderlich ist.

Der BGH (BGHZ 48, 396 – „Kaufmannsehrenwort“) hat sich aufgrund des Ungleichgewichts der Vertragspartner für die Anwendbarkeit von § 242 BGB stark gemacht. In diesem Fall hat ein Angestellter auf die von einem Unternehmen beschworene kaufmännische Ehrbarkeit vertraut und einen formbedürftigen Vertrag formlos abgeschlossen. Im Edelmann-Fall bestand zwischen dem Adligen G und dem Angestellten B ebenfalls ein Ungleichgewicht der Vertragspartner, sodass die Berufung auf § 311b I 1 BGB wegen Geltendmachung von § 242 BGB versagt bleibt.

c) Stellungnahme

Eine Korrektur von § 125 S.1 BGB führt zu erheblicher Rechtsunsicherheit. Zwar stellt das Festhalten am Formerfordernis für den B eine unbillige Härte dar, führt allerdings nicht zu schlechthin untragbaren Ergebnissen (BGH JZ 71, 459 ff.). Die notarielle Beurkundung hat nach der gesetzgeberischen Wertung Beweis-, Kontroll- und Warnfunktion und darf deshalb nicht leichtfertig umgangen werten. Der Wortbruch des Adligen G widerspricht zwar sittlichen Pflichten, löst aber keine Rechtspflicht aus. Der B hat sich bewusst auf das Risiko des einfachen Wortes verlassen, sodass er sich nicht auf § 242 BGB berufen kann. Es gilt dieser Merkspruch:

„Wer sich statt auf das Recht auf ein „Edelmannswort“ verlässt, muß es hinnehmen, wenn der „Edelmann“ sein Wort nicht hält.“ (Flume, BGB AT, § 15 III 4)

II. Zwischenergebnis

Der Schenkungsvertrag ist nach § 125 S.1 BGB wegen Formverstoßes nichtig.

C. Ergebnis

Der B kann sein Begehren vor Gericht nicht durchsetzen.

Bildquelle: Pixabay von nir_design (Pixabay License)

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