Reichseisenbahn-Feldlokomotiven-Fall · BGHZ 31, 129 · Klassiker Zivilrecht

In diesem Beitrag beschäftigen wir uns mit dem Reichseisenbahn-Feldlokomotiven-Fall (BGHZ 31, 129). Der BGH stellt mit der Aufschwungtheorie klar, dass die Erlangung der Stellung des Eigenbesitzers als „Erwerb des Besitzes“ i.S.d. § 990 I BGB anzusehen ist.

Sachverhalt (vereinfacht)

Sieben Feldbahnlokomotiven wurden verladen und nach Schlesien fehlgeleitet. Der Zug wurde auf einem „Gerätefriedhof“ in Erlenbusch abgestellt. Die Bahnmeisterei, die von der Versandanzeige wusste, ließ sie verladen. Dann wurden die Lokomotiven nach Essen transportiert und von der Reichseisenbahn an die Baufirma M veräußert. Der ursprüngliche Eigentümer verlangt von der Deutschen Bundesbahn (Rechtsnachfolgerin der Reichsbahn) Ersatz des Schadens, der ihm durch den Verkauf der Lokomotiven entstanden sind. Diese Ersatzpflicht bestreitet die Bundesbahn und erhebt die Einrede der Verjährung.

Entscheidung des BGH: Feldbahnlokomotiven-Fall

Der BGH stellt fest, dass zwischen den Parteien keine vertraglichen Beziehungen bestanden. Eine echte berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677, 683 S.1 BGB) scheidet aus. Die Beamten der Reichsbahn haben die Feldbahnlokomotiven nicht für fremdes, sondern für „eigenes Gut“ (Eigenbesitz, § 872 BGB) gehalten. Der Fremdgeschäftsführungswille fehlt. Ein Anspruch aus § 823 BGB in Fällen, in denen der berechtigte Fremdbesitzer das ihm zustehende Besitzrecht überschreitet (Fremdbesitzerexzess), scheidet wegen Verjährung (§ 852 BGB) aus.

In Betracht kommen Ansprüche aus § 990 BGB, die in 30 Jahren verjähren. Nach § 990 I 1 BGB haftet der Besitzer, der beim Erwerb des Besitzes nicht in gutem Glauben war, dem Eigentümer nach den §§ 987, 989 BGB. Strittig ist, ob Besitzerwerb nur die erstmalige Ergreifung der Sachherrschaft umfasst, oder auch die Umwandlung von berechtigtem Fremdbesitz in unberechtigten Eigenbesitz. Mit dieser Kernfrage hatte sich der BGH hier zu befassen.

Der Wortlaut „Erwerb des Besitzes“ könnte für eine Erlangung der tatsächlichen Gewalt i.S.d. § 854 BGB sprechen. Nach dem BGH spricht die Wesensverschiedenheit zwischen Fremd- und Eigenbesitz i.S.d. § 872 BGB, dass die erstmalige Erlangung der Stellung des Eigenbesitzers als „Erwerb des Besitzes“ i.S.d. § 990 I BGB anzusehen ist (Aufschwungtheorie). Die Reichsbahn hat grob fahrlässig gehandelt, als sie das die Lokomotiven ohne nähere Prüfung als Eigentum des Reiches betrachtete. Die Beamten der Reichsbahn waren nicht im guten Glauben und nach §§ 990, 989 BGB hat die Bundesbahn den dem Eigentümer entstandenen Schaden zu ersetzen.

Schlussfolgerungen

Der Feldbahnlokomotiven-Fall manifestiert die Aufschwungtheorie. Die Erlangung der Stellung des Eigenbesitzers ist nach BGH daher als „Erwerb des Besitzes“ i.S.d. § 990 I BGB anzusehen.

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