Wer ist Kaufmann (§§ 1 ff. HGB)? · HGB · Basics Zivilrecht

Im heutigen Beitrag beschäftigen wir uns systematisch mit dem handelsrechtlichen Begriff des „Kaufmanns“. Wer ist Kaufmann i.S.d. §§ 1 ff. HGB?

Buch-Tipp: Bitter/Schumacher, Handelsrecht mit UN-Kaufrecht, 3. Auflage, 2018.

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Demnächst (bleibt gespannt)

B. Überblick

Die Kaufmannseigenschaft ist entscheidend dafür, ob bestimmte Normen des Handelsrechts überhaupt Anwendung finden. Man unterscheidet folgende Gruppen von Kaufleuten:

  • Kaufleute kraft Betriebs eines Handelsgewerbes
  • Kaufleute kraft Betriebs eines eingetragenen Gewerbes
  • Kaufleute kraft Gesellschaftsform

C. Kaufleute kraft Betriebs eines Handelsgewerbes

I. Ist-Kaufmann, § 1 HGB

Nach § 1 I HGB ist jeder per Gesetz zwingend Kaufmann, der ein Handelsgewerbe betreibt. Die Definition eines Handelsgewerbes findet sich in § 1 II HGB.

(1) Kaufmann i.S.d. Gesetzbuchs ist, wer ein Handelsgewerbe betreibt.

(2) Handelsgewerbe ist jeder Gewerbebetrieb, es sei denn, daß das Unternehmen nach Art oder Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erfordert.

§ 1 HGB

1. Voraussetzungen:

  • Betreiben eines Gewerbes
  • Erforderlichkeit eines in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetriebs

2. Betreiben eines Gewerbes (Merkmale eines Gewerbebetriebs)

Ein Gewerbe ist jede erlaubte, selbständige, nach außen erkennbare Tätigkeit, die planmäßig für eine gewisse Dauer und zum Zwecke der Gewinnerzielung ausgeübt wird und kein freier Beruf ist.

Rainer Wörlen, Handelsrecht und Gesellschaftsrecht, 2010, Rz. 10, S. 6
  • nach außen gerichtete Tätigkeit (an einem Markt anbietend)
  • selbständige nicht freiberufliche, wissenschaftliche oder künstlerische Tätigkeit
  • erkennbar planmäßig auf Dauer angelegt
  • Gewinnerzielungabsicht (strittig)
  • Erlaubtheit (strittig)
Vertiefend: Bitter/Schumacher, HandelsR, § 2 Rn.4ff., 3. A.

3. Erforderlichkeit eines in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetriebs

„nach Art oder Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb“

§1 II HGB
Art des UnternehmensUmfang des Unternehmens
qualitative Kriterienquantitative Kriterien

  • Eintragung nach § 29 HGB hat nur deklaratorische Bedeutung
  • Vermutungs- und Beweislastregel: Im Grundsatz ist jeder Betrieb, der die Merkmale eines Gewerbes aufweist, ein Handelsgewerbe (Wortlaut § 1 II HGB mit doppelter Verneinung)

vgl. Bitter/Schumacher, HandelsR, § 2 Rn.14ff., 3. A.

II. Kann-Kaufmann mit Rückfahrkarte, § 2 HGB

Erfordert das Gewerbe nach Art und Umfang keinen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb (Kleingewerbe), wird die Kaufmanns-Eigenschaft nicht nach § 1 II HGB begründet, sondern durch freiwillige Eintragung im Handelsregister nach § 2 S.1, S.2 HGB.

Ein gewerbliches Unternehmen, dessen Gewerbebetrieb nicht schon nach § 1 II HGB Handelsgewerbe ist, gilt als Handelsgewerbe i.S.d. Gesetzbuchs, wenn die Firma des Unternehmens in das Handelsregister eingetragen ist. Der Unternehmer ist berechtigt, aber nicht verpflichtet, die Eintragung nach den für die Eintragung kaufmännischer Firmen geltenden Vorschriften herbeizuführen. Ist die Eintragung erfolgt, so findet eine Löschung der Firma auch auf Antrag des Unternehmers statt, sofern nicht die Voraussetzung des § 1 II HGB eingetreten ist.

§ 2 HGB

Voraussetzungen:

  • Kein Handelsgewerbe nach § 1 II HGB
  • Eintragung in das Handelsregister

Da er sich nach § 2 S.3 HGB später wieder aus dem dem Handelsregister löschen kann, spricht man vom „Kann-Kaufmann mit Rückfahrkarte.“ (Bitter/Schumacher, HandelsR, § 2 Rn.21., 3. A.)

Vermögensverwaltende Personengesellschaften können sich nach § 105 II HGB freiwillig als OHG oder KG (§ 161 II HGB) eintragen lassen. Die Regeln des § 2 S.2 und 3 HGB finden nach § 105 II 2 HGB entsprechende Anwendung => „Kann-Kaufmann mit Rückfahrkarte.“

vgl. Bitter/Schumacher, HandelsR, § 2 Rn.27., 3. A.

III. Kann-Kaufmann ohne Rückfahrkarte, § 3 HGB

Unternehmen der Land- und Forstwirtschaft sind in § 3 HGB geregelt.

Landwirtschaft umfasst die Erzeugung und Verwertung organischer Rohstoffe durch Bearbeitung oder Ausnutzung von Grund und Boden einschließlich Tierhaltung und Tierzucht mit selbst erzeugtem Futter. Forstwirtschaft die Gewinnung von Waldprodukten durch Auf- und Abforstung und ihre Verwertung (Bitter/Schumacher, HandelsR, § 2 Rn.25., 3. A.).

Erfordert ein land- oder forstwirtschaftliches Unternehmen nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb, kann die Kaufmanns-Eigenschaft wegen § 3 I HGB nicht nach § 1 II HGB, sondern nur durch freiwillige Eintragung ins Handelsregister nach § 3 II HGB begründet werden. Anders als bei Kleingewerbetreibenden (§ 2 HGB) kann sie allerdings nicht rückgängig gemacht werden. Man spricht deshalb vom „Kann-Kaufmann ohne Rückfahrkarte.“ (Bitter/Schumacher, HandelsR, § 2 Rn.24., 3. A.)

(1) Auf den Betrieb der Land- und Forstwirtschaft finden die Vorschriften des § 1 HGB keine Anwendung.

(2) Für ein land- oder forstwirtschaftliches Unternehmen, das nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, gilt § 2 HGB mit der Maßgabe, dass nach Eintragung in das Handelsregister eine Löschung der Firma nur nach den allgemeinen Vorschriften stattfindet, welche für die Löschung kaufmännischer Firmen gelten.

(3) Ist mit dem Betrieb der Land- oder Forstwirtschaft ein Unternehmen verbunden, das nur ein Nebengewerbe des land- oder forstwirtschaftlichen Unternehmens darstellt, so finden auf das im Nebengewerbe betriebene Unternehmen die Vorschriften der Abs. 1 und 2 entsprechende Anwendung.

§ 3 HGB

Voraussetzungen:

  • Land- oder forstwirtschaftlicher Betrieb
  • Erforderlichkeit eines kaufmännisch eingerichteten Geschäftsbetriebs
  • Eintragung im Handelsregister

D. Kaufleute kraft Betriebs eines eingetragenen Gewerbes (Fiktivkaufmann), § 5 HGB

Wer im Handelsregister eingetragen ist, untersteht nach § 5 HGB dem Handelsrecht. Der Einwand, das betriebene Geschäft sei kein Handelsgewerbe (§ 1 II HGB), greift nicht.

Ist eine Firma im Handelsregister eingetragen, so kann gegenüber demjenigen, welcher sich auf die Eintragung beruft, nicht geltend gemacht werden, dass das unter der Firma betriebene Gewerbe kein Handelsgewerbe sei.

§ 5 HGB

Voraussetzungen:

  • Gewerbe
  • Eintragung in das Handelsregister
  • Berufung auf die Eintragung
(P) Eigener Anwendungsbereich des § 5 HGB?

Früher sicherte § 5 HGB die Anwendbarkeit der handelsrechtlichen Sonderregeln für den Fall, dass ein Kleingewerbe zu Unrecht eingetragen war. Denn ein Kleingewerbe war – anders als heute in § 2 HGB – nach §§ 2, 4 HGB a.F. nicht eintragungsfähig. Eine Ansicht vertritt, dass alle von § 5 HGB erfassten Fälle unter § 2 HGB falle, eine andere, dass § 5 HGB einen eigenen Anwendungsbereich hat. (vgl. Bitter/Schumacher, HandelsR, § 2 Rn.37., 3. A.

E. Kaufleute kraft Gesellschaftsform

Nach § 6 HGB sind einige Subjekte des Privatrechts bereits kraft ihrer Rechtsform Kaufleute.

(1) Die in betreff der Kaufleute gegebenen Vorschriften finden auch auf die Handelsgesellschaften Anwendung.

(2) Die Rechte und Pflichten eines Vereins, dem das Gesetz ohne Rücksicht auf den Gegenstand des Unternehmens die Eigenschaft eines Kaufmanns beilegt, bleiben unberührt, auch wenn die Voraussetzungen des § 1 II HGB nicht vorliegen.

§ 6 HGB

Dabei gilt § 6 I HGB für Handelsgesellschaften, § 6 II HGB für Vereine (§§ 21 ff. BGB). Es kommt zu Überschneidungen im Anwendungsbereich (siehe „Kapitalgesellschaften“ in Tabelle).

Handelsgesellschaften, § 6 I HGB

PersonengesellschaftenKapitalgesellschaften
OHG, KG (§§ 105 I, 161 I HGB)
betreiben Handelsgewerbe
(andernfalls:
GbR, §§ 705 ff. BGB)
GmbH (§§ 1, 13 III GmbHG)
AG (§ AktG)
KGaA (§§ 3, 278 III AktG)
SE (Art. 10 SE-VO, §3 AktG)

Vereine, § 6 II HGB

GenossenschaftenKapitalgesellschaften
eG (§ 17 II GenG)
SCE (Art. 9 SCE-VO)
GmbH (§§ 1, 13 III GmbHG)
AG (§ AktG)
KGaA (§§ 3, 278 III AktG)
SE (Art. 10 SE-VO, §3 AktG)

vgl. Bitter/Schumacher, HandelsR, § 2 Rn.28ff., 3. A.

F. Kaufleute kraft Rechtsscheins

Die Kaufmanns-Eigenschaft kann auch kraft Rechtsscheins begründet werden. Sie ist als allgemeine Rechtsscheinhaftung gesetzlich nicht geregelt. Wichtig: Der Scheinkaufmann ist zwar kein Kaufmann, muss sich aber grundsätzlich wie ein solcher behandeln lassen.

Voraussetzungen:

  • Rechtsschein des Kaufmanns
  • Zurechenbarkeit des Rechtsscheins
  • Vertrauen auf den Rechtsschein
  • Gutgläubigkeit des Dritten

Beachte: Die allgemeine Rechtsscheinhaftung ist subidiär zu §§ 5, 15 HGB.

Vertiefend: Bitter/Schumacher, HandelsR, § 2 Rn.38ff., 3. A.

G. Kaufmannseigenschaft in der Klausur

Die Bestimmung, wer Kaufmann ist, lässt sich anhand des Gesetzes systematisch erfassen. In der Klausur wird die Kaufmannseigenschaft jedoch nicht abstrakt geprüft, sondern im Rahmen der jeweiligen handelsrechtlichen Problematik. Denn viele handelsrechtliche Normen setzen für ihre Anwendbarkeit voraus, dass auf einer oder beiden Seiten ein Kaufmann involviert ist.


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