Gerichtsstände der ZPO · Örtliche Zuständigkeit · Zivilprozessrecht

Die örtliche Zuständigkeit der Gerichte ist in den §§ 12-40 ZPO geregelt. Sie ist entscheidend dafür, wo die Parteien einen Rechtsstreit austragen. Die sachliche Zuständigkeit hingegen enscheidet darüber, ob das Amts- oder Landgericht (§§ 23, 23a, 71 GVG) zuständig ist. Dabei unterscheidet man zwischen den allgemeinen und den besonderen Gerichtsständen.

Vorweg: Dieser Beitrag setzt sich nicht mit allen Gerichtsständen auseinander.

A. Allgemeine Gerichtsstände

Nach § 12 ZPO ist das Gericht, bei dem eine Person ihren allgemeinen Gerichtsstand hat, für alle gegen sie zu erhebenden Klagen örtlich zuständig, sofern nicht ein ausschließlicher Gerichtsstand begründet ist. Der allgemeine Gerichtsstand einer natürlichen Person wird durch den Wohnsitz (§§ 7 – 11 BGB) bestimmt. Der allgemeine Gerichtsstand einer juristischen Person richtet sich gemäß § 17 I ZPO nach deren Sitz, also dem Ort, an dem die Verwaltung geführt wird. Damit wird der „angegriffene“ Beklagte begünstigt, der in einen Rechtsstreit hineingezogen wird (vgl. Musielak/Voit, § 2 Rn. 85ff., ZPO, 14. A, 2018, München). Für exterritoriale Deutsche, Wohnsitzlose, den Fiskus, Behörden und den Insolvenzverwalter beeinhalten die §§ 15, 16, 18, 19 ZPO eigene Regelungen des allgemeinen Gerichsstands. Dort wird an den letzten Wohnsitz, den Behördensitz oder den Sitz des Insolvenzgerichts angeknüpft.

B. Besondere Gerichtsstände

Zudem gibt es besondere Gerichtsstände. Diese beruhen auf dem Gedanken der Sachnähe und vermeiden Unzweckmäßigkeiten (vgl. Musielak/Voit, § 2 Rn. 88, ZPO, 14. A, 2018, München).

I. Gerichtsstand der unerlaubten Handlung (§ 32 ZPO)

Nach § 32 ZPO ist für Klagen aus unerlaubten Handlungen das Gericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist. Begehungsort ist der Ort, an dem ein wesentliches Merkmal des gesetzlichen Tatbestandes verwirklicht wurde (Handlungsort), oder der Ort, an dem die Verletzung des Rechts oder Rechtsguts eingetreten ist (Erfolgsort). In der Regel werden beide Orte zusammen fallen (vgl. Musielak/Voit, § 2 Rn. 89, ZPO, 14. A, 2018, München).

II. Gerichtsstand des Erfüllungsorts (§ 29 ZPO)

§ 29 ZPO bestimmt die örtliche Zuständigkeit für alle Klagen aus schuldrechtlichen Verträgen (Erfüllung, Feststellung und Aufhebung eines Vertragsverhältnisses, Schadensersatz wegen Nichterfüllung oder Schlecherfüllung und auf culpa in contrahendo oder § 122 oder § 179 BGB gestützte Schadensersatzansprüche), vgl. Musielak/Voit, § 2 Rn. 93, ZPO, 14. A, 2018, München.

Nach § 29 I ZPO ist für Streitigkeiten aus einem Vertragsverhältnis und über dessen Bestehen das Gericht des Orts zuständig, an dem die Verpflichtung zu erfüllen ist. Abzustellen ist auf den gesetzlichen Erfüllungsort, der sich i.d.R. aus §§ 269 Abs. 1, 270 BGB ergibt. Dagegen regelt § 29 II ZPO den Fall, dass die Vertragsparteien durch Parteivereinbarung einen Erfüllungsort bestimmen, der vom gesetzlichen Erfüllungsort abweicht. Eine solche Vereinbarung begründet die gerichtliche Zuständigkeit nur, wenn es sich bei beiden Vertragsparteien um Kaufleute, juristische Personen des öffentlichen Rechts oder öffentlich-rechtliche Sondervermögen handelt. Andernfalls beschränkt sich die Wirkung der Vereinbarung nur auf den Erfüllungsort i.S.d. § 269 Abs. 1 BGB aus (vgl. Musielak/Voit, § 2 Rn. 96, ZPO, 14. A, 2018, München).

III. Gerichtsstand der Widerklage

Nach § 33 ZPO kann der Beklagte bei dem Gericht der Klage eine Widerklage erheben, wenn der Gegenanspruch mit dem in der Klage geltend gemachten Anspruch oder mit den gegen ihn vorgebrachten Verteidigungsmitteln in Zusammenhang steht.

C. Ausschließliche Gerichtsstände

Dinglicher Gerichtsstand: Nach § 24 I ZPO ist für Klagen, durch die das Eigentum, eine dingliche Belastung oder die Freiheit von einer solchen geltend gemacht wird, für Grenzscheidungs-, Teilungs- und Besitzklagen über unbewegliche Sachen, das Gericht ausschließlich zuständig, in dessen Bezirk die Sache belegen ist. Nach § 24 II ZPO ist bei den eine Grunddienstbarkeit, eine Reallast oder ein Vorkaufsrecht betreffenden Klagen die Lage des dienenden oder belastenden Grundstücks entscheidend.

Gerichtsstand bei Miet- und Pachträumen: Nach § 29a ZPO ist für Streitigkeiten über Ansprüche aus Miet- oder Pachtverhältnissen über Räume oder das Bestehensolcher Verhältnisse ausschließlich das Gericht zuständig, in dessen Bezirk sich die Räume befinden.

Gerichtsstand für Haustürgeschäfte: Nach § 29c ZPO ist für Klagen aus außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen das Gericht zuständig, in dessen Bezirk der Verbraucher zur Zeit der Klageerhebung seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt hat.

Weiterhin: Gerichtsstand der Umwelteinwirkung (§ 32a ZPO), Gerichtsstand bei falschen, irreführenden oder unterlassenen öffentlichen Kapitalmarktinformationen (§ 32b ZPO), Gerichtsstand bei Musterfeststellungsverfahren (§ 32c ZPO) sowie die §§ 767, 771, 802 ZPO.

D. Gerichtsstandsvereinbarung, §§ 38, 40 ZPO

Die Zivilprozessordnung erlaubt Gerichtsstandsvereinbarungen nur in engen Grenzen. Im Grundsatz sind sie verboten und nur unter den Voraussetzungen des § 38 ZPO und § 40 ZPO ausnahmsweise zugelassen (vgl. Musielak/Voit, § 2 Rn. 101, ZPO, 14. A, 2018, München).

I. Voraussetzungen des § 38 ZPO

Nach § 38 I ZPO können die Parteien, sofern es sich um Kaufleute, juristische Personen des öffentlichen Rechts oder öffentlich-rechtliche Sondervermögen handelt, die Vereinbarung formfrei und stillschweigend schließen.

Nach § 38 Abs. 2 ZPO kann ein Gerichtsstand schriftlich (bestätigt) vereinbart werden, wenn mindestens eine Partei keinen allgemeinen Gerichtsstand im Inland hat.

Nach § 38 Abs. 3 Nr. 1 ZPO können die Parteien ausdrücklich und schriftlich den Gerichtsstand selbst bestimmen, wenn die Streitigkeit, die Gegenstand der Klage sein soll, vor Abschluss der Vereinbarung entstanden ist.

Nach § 38 Abs. 3 Nr. 2 ZPO kann ausdrücklich und schriftlich eine Vereinbarung für den Fall geschlossen werden, dass der Schuldner nach Abschluss des Vertrags seinen Wohnsitz oder Aufenthaltsort ins Ausland verlegt.

II. Bestimmtes Rechtsverhältnis, § 40 Abs. 1 ZPO

Zudem muss sich die Gerichtsstandsvereinbarung nach § 40 Abs. 1 ZPO auf ein bestimmtes Rechtsverhältnis beziehen. Zur Bestimmtheit genügt, dass dieses von anderen abgrenzbar ist.

III. Ausschließliche Zuständigkeit | Nichtvermögensrechtlicher Anspruch, § 40 II ZPO i.V.m. §§ 23 Nr.2, 23a GVG

Ferner darf nach § 40 II ZPO i.V.m. §§ 23 Nr.2, 23a GVG keine ausschließliche Zuständigkeit gegeben sein oder ein nichtvermögensrechtlicher Anspruch den Amtsgerichten ohne Rücksicht auf den Streitwert zugewiesen sein.

IV. Beschränkungen

Eine Gerichtsstandsvereinbarung ist nicht mehr möglich, wenn ein ursprünglich unzuständiges Gericht infolge rügeloser Einlassung nach § 39 ZPO zuständig geworden ist oder nach § 261 III Nr.2 ZPO die Rechtshängigkeit der Klage eingetreten ist.

E. Wahlrecht bei mehreren Gerichtsständen

Erfüllt eine Klage die Voraussetzungen mehrerer Gerichtsstände nach verschiedenen ZPO-Normen, hat der Kläger nach § 35 ZPO ein Wahlrecht. Ist die Klage erhoben (§ 253 I ZPO) und damit Rechtshängigkeit eingetreten (§ 261 I ZPO), kann er seine Wahl nicht mehr ändern. Der ausschließliche Gerichtsstand schließt alle anderen möglichen Gerichtsstände aus und macht eine Gerichtsstandsvereinbarung nach § 40 I 1 Nr.2 ZPO unzulässig. Nur die Verweisung der Sache an ein anderes Gericht (§§ 281, 506 ZPO) verdrängt den ausschließlichen Gerichtsstand.

F. Fazit

Die örtliche Zuständigkeit und die Gerichtsstände lassen sich systematisch erfassen. Lerne hier verständnisorientiert und mit System. Verstehe hier vor allem die allgemeinen und besonderen Gerichtsstände und den Umgang bzw. die Wahl bei mehreren einschlägigen Gerichtsständen.

Bildquelle: Pixabay von 3D Animation Production Company (Pixabay License)

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