Benetton-Entscheidung · Klassiker Öffentliches Recht

Im heutigen Beitrag beschäftigen wir uns mit den Entscheidungen Benetton I und Benetton II. Wie weit darf kommerzielle (schockierende) Aufmerksamkeitswerbung in Zeitschriften gehen?

Sachverhalt (vereinfacht)

In der Zeitschrift „Stern“ wurden drei Werbeanzeigen des italienischen Modeunternehmens Benetton veröffentlicht. Sie zeigen eine auf einem Ölteppich schwimmende ölverschmutzte Ente, schwer arbeitende Kinder verschiedener Altersstufen aus der Dritten Welt sowie ein nacktes menschliches Gesäß, auf das die Worte HIV aufgestempelt sind. Die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e.V. hat die Veröffentlichung wegen Verstoßes gegen die guten Sitten (§ 1 UWG) im Hinblick auf die Menschenwürde (Art. 1 I. GG) untersagt. Der Presseverlag rügt eine Verletzung der Meinungs- / Pressefreiheit (Art. 5 I 1 Alt.1, I 2 Alt.1 GG).

BVerfG-Entscheidungen: Benetton I und Benetton II

In der Entscheidung Benetton I hob das BVerfG die Urteile der Zivilgerichte auf, da sie den Verlag Gruner + Jahr in seiner Pressefreiheit (Art. 5 I 2 Alt.1 GG) verletzen. Der Schutzbereich der Pressefreiheit umfasse den gesamten Inhalt eines Presseorgans, also auch Werbeanzeigen. Bei seiner wettbewerbsrechtlichen Bewertung der Anzeigen habe der BGH die Bedeutung und Tragweite der im Pressewesen verankerten Meinungsfreiheit verkannt. Eine Rechtfertigung durch Gemeinwohlbelange oder Rechte Dritter konnte nicht festgestellt werden.

In der Entscheidung Benetton II hob das BVerfG das Verbot im März 2003 auf. Zwar untersagt § 1 UWG ein Werbeverhalten, das mit der Darstellung schweren Leids von Menschen und Tieren Gefühle des Mitleids erweckt und diese Gefühle ohne sachliche Veranlassung zu Wettbewerbszwecken ausnutzt, indem der Werbende sich dabei als gleichermaßen betroffen darstellt und damit eine Solidarisierung der Verbraucher mit seinem Namen und seiner Geschäftstätigkeit herbeiführt. Der Grundsatz der Menschenwürde (Art. 1 I GG) gilt absolut, d.h. die Menschenwürde ist nicht abwägungsfähig. Jedoch verstößt die kommerzielle Aufmerksamkeitswerbung nicht dagegen. Wieder obsiegt daher die Pressefreiheit. Der BGH hat die Bedeutung und Tragweite der Meinungsfreiheit der Presseorgane verkannt. Hinreichende Gemeinwohlbelange oder schutzwürdige Rechte und Interessen Dritte sind nicht ersichtlich.

Schlussfolgerungen

Die Meinungs- und Pressefreiheit ist ein hohes Gut in demokratischen Grundordnungen. Da sich Medien-Unternehmen nicht von Luft und Liebe finanzieren, sind sie u.a. auf Werbekunden angewiesen. Werbung will die Kunden erreichen und darf in gewissen Grenzen schockieren.

Bild von Jerzy Górecki auf Pixabay


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