Ehestörung · Familienrecht · Basics Zivilrecht

In diesem Beitrag behandeln wir den examensrelevanten Fall der Ehestörung im Familienrecht. Kernaspekt sind die Eheherstellungsklage sowie Unterlassungs- & Schadensersatzanprüche.

Sachverhalt

Beispiel: Mann M und Frau F sind miteinander verheiratet. Da das Beziehungsleben immer mehr ins Stocken gerät, beginnt die F eine Affäre zum sportlichen Fitnesstrainer S. Dieser gibt der F in der ehelichen Wohnung von M und F jede Woche „Privatkurse“. Nachdem M davon Wind bekommt, fordert er sowohl S als auch F auf diese Treffen sofort zu unterlassen. Aufgrund der Affäre sieht er die Ehe als gescheitert an und reicht Antrag auf Scheidung ein. Nunmehr will er die Kosten für den Scheidungsanwalt erstattet bekommen. Welche Ansprüche bestehen?

Gutachten: Ehestörung

A. Anprüche des M gegen F

I. Anspruch auf Herstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft, § 1353 I 2 BGB

Der M könnte gegen die F einen Anspruch auf Herstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft haben. Nach § 1353 I 2 BGB sind die Ehegatten einander zur ehelichen Lebensgemeinschaft verpflichtet. Hiervon umfasst ist die häusliche Gemeinschaft und die Geschlechtsgemeinschaft. Da die F aufgrund des stockenden Beziehungslebens mit dem Fitnesstrainer S „Privatkurse“ veranstaltete, hat sich die Geschlechtsgemeinschaft zu M aufgegeben und damit gegen eine Pflicht aus § 1353 I 2 BGB verstoßen. Der M hat damit einen Anspruch auf Herstellung der ehelichen Gemeinschaft. Jedoch ist dieser Anspruch wegen § 120 III FamFG nicht vollstreckbar.

II. Anspruch auf Unterlassung der Ehestörung

1. § 1353 I 2 BGB

Der M könnte gegen die F einen Anpruch auf Unterlassung der Ehestörung aus § 1353 I 2 BGB haben. Allerdings wäre ein obsiegendes Urteil nach §§ 123 I FamFG, 890 ZPO vollstreckbar und würde damit der Wertung des § 123 III FamFG zuwiderlaufen. Deswegen gewährt die Norm des § 1353 I 2 BGB keinen Unterlassungsanspruch bezüglich der Ehestörung durch F und S.

2. §§ 823 I, 1004 I BGB analog

Jedoch könnte der M gegen die F einen Anpruch auf Unterlassung der Ehestörung aus §§ 823 I, 1004 I BGB analog haben. Dies wird grundsätzlich abgelehnt, da sonst ein vollstreckbarer Anspruch bestünde und damit ein Widerspruch zum Rechtsgedanken des § 123 III FamFG.

Eine Ausnahme gilt für den räumlich-gegenständlichen Bereich der Ehe. Dazu zählen v.a. die Unverletzlichkeit der Ehewohnung und die Unverletzlichkeit des gemeinsam aufgebauten und geführten Geschäfts (BGH, Beschluss vom 19. Februar 2014 – XII ZB 45/13 – OLG München).

Da vorliegend die „Privatkurse“ in der Ehewohnung von M und F stattgefunden haben, ist der räumlich-gegenständliche Bereich der Ehe betroffen. Damit sind hier die Voraussetzungen für einen Anpruch auf Unterlassung der Ehestörung aus §§ 823 I, 1004 I BGB analog zu prüfen.

a) Voraussetzungen

aa) Rechtsgutsverletzung

Zunächst müsste F ein durch § 823 I BGB geschütztes Rechtsgut verletzt haben. In Betracht kommt ein sonstiges Recht. Fraglich ist, ob die Ehe bzw. der ungestörte Fortbestand der ehelichen Gemeinschaft ein absolutes Recht ist, das gegen jedermann wirkt. Ob die Ehe selbst Schutzgut ist oder sich der Schutz aus § 823 II BGB i.V.m. Art. 6 GG ergibt, kann hier aber dahinstehen. Zumindest ist der räumlich gegenständliche Bereich über § 823 I BGB geschützt.

Durch die „Privatkurse“ in der ehelichen Wohnung liegt eine Rechtsgutsverletzung vor.

bb) Rechtswidrigkeit

Die Rechtsgutsverletzung müsste auch rechtswidrig sein. Bei dem räumlich-gegenständlichen Bereich der Ehe handelt sich als Teilaspekt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts um ein Rahmenrecht, sodass die Rechtswidrigkeit positiv festgestellt werden muss. Dazu sind die widerstreitenden Interessen im Einzelfall abzuwägen. Hier trifft das Persönlichkeitsrecht des M auf die allgemeine Handlungsfreiheit der F. Der Eingriff in die Intimsphäre des M durch die Treffen von F und S in der ehelichen Wohnung wiegt vorliegend schwerer, als die Beeinträchtigung der Handlungsfreiheit der F, sodass die Rechtswidrigkeit zu bejahen ist.

cc) Keine Duldungspflicht nach § 1004 II BGB

Außerdem gibt es keine Anhaltspunkte für eine Duldungspflicht nach § 1004 II BGB.

dd) Weitere bevorstehende Beeinträchtigungen

Da sich F und S jede Woche privat treffen, ist auch in Zukunft von weiteren Treffen innerhalb der ehlichen Wohnung auzugehen, sodass auch weitere Beeinträchtigungen bevorstehen.

b) Rechtsfolge

M hat gegen F nach §§ 823 I, 1004 I BGB einen Anspruch auf Unterlassung des ehewidrigen Verhältnisses zu S innerhalb der ehelichen Wohnung. Darüber hinaus besteht kein allgemeiner Unterlassungsanspruch. Außerhalb der Wohnung kann sich die F weiterhin mit dem S treffen.

III. Anspruch auf Schadensersatz, § 823 I BGB

Hinsichtlich der Kosten für den Scheidungsanwalt kommt ein Schadensersatzanspruch nach § 823 I BGB in Betracht. Hierzu müsste § 823 I BGB allerdings überhaupt anwendbar sein.

Eine Ansicht unterstellt das Recht am ungestörten Fortbestand der ehelichen Gemeinschaft dem Schutz des § 823 I BGB. Hier sah sich der M wegen der Affäre von F zu einer Scheidung bewegt, wodurch im Kosten für den Scheidungsanwalt entstanden sind. Somit hat die Verletzung der ehelichen Treuepflicht kausal zu einem ersatzfähigen Schaden geführt.

Der BGH dagegen sieht das Recht am ungestörten Fortbestand der ehelichen Gemeinschaft nicht als von § 823 I BGB erfasst (vgl. BGH FamRZ 1956, 180; BGHZ 23, 279; 26, 217). Damit soll eine Zwangslage für den Ehepartner bzw. eine Umgehung von § 123 III FamFG verhindert werden. Nach § 243 FamFG regeln die familienrechtlichen Regelungen abschließend alle vermögensrechtlichen Ehe-Folgen. Ein Schadensersatzanspruch nach § 823 I BGB scheidet aus.

B. Ansprüche des M gegen S

I. Anspruch auf Unterlassung, §§ 823 I, 1004 I BGB analog

M könnte gegen S einen Anspruch auf Unterlassung der Ehestörung aus §§ 823 I, 1004 I BGB analog haben.

Indem S die „Privatkurse“ in der Ehewohnung von M und F abgehalten hat, ist der räumlich-gegenständliche Bereich der Ehe betroffen. Ebenso wie bei F liegen bei S die Voraussetzungen für einen Anpruch auf Unterlassung der Ehestörung aus §§ 823 I, 1004 I BGB analog vor.

II. Anspruch auf Schadensersatz, § 823 I BGB

Hinsichtlich der Kosten für den Scheidungsanwalt kommt ein Schadensersatzanspruch nach § 823 I BGB in Betracht. Wie oben bereits geprüft, stellt sich die Frage, ob § 823 I BGB überhaupt anwendbar ist. Nur sofern man dies bejaht, besteht ein Schadensersatzanspruch.

Bildquelle: Pixabay von stokpic (Pixabay License)

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