Pillen-Fall · BGHZ 97,372 · Klassiker Zivilrecht

In diesem Beitrag beschäftigen wir uns mit dem Pillen-Fall (BGHZ 97, 372). Kernaussage dieses Falles ist, dass eine unter Partnern einer nichtehelichen Gemeinschaft getroffene Abrede über den Gebrauch empfängnisverhütender Mittel den engsten persönlichen Freiheitsbereich berührt und daher einer rechtsgeschäftlichen Regelung (kein Vertragsbruch) nicht zugänglich ist.

Sachverhalt (vereinfacht)

Ein unverheirateter Mann lebte mit einer Frau in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft. Beide kamen darüber ein, dass aus ihrer Beziehung kein Kind hervorgehen soll. Hierfür sollte die Frau die Pille als empfängnisverhütendes Medikament nehmen. Die Frau wollte aber unbedingt schwanger werden und den Mann zur Heirat bewegen, sodass Sie ohne dessen Kenntnis die Pille abgesetzt hatte. Ergebnis: Ein Kind erblickte das Licht der Welt. Die Frau äußerte, dass sie den Mann „ganz schön reingelegt“ habe. Der Mann ließ dies nicht auf sich sitzen und ist mit seiner Schadensersatzforderung zum Anwalt gegangen. Der Anwalt sah im Hinblick auf eine mögliche Vertragsverletzung der Frau Erfolgsaussichten für das Klagebegehren und riet ihm auf Erstattung des dem Kind zu zahlenden Regelunterhalts zu klagen. Das war nicht erfolgreich, sodass die Klage zurückgenommen wurde. Der Anwalt klagte auf seinen Honoraranspruch aus Mandatsvertrag (§§ 675, 611 BGB), der Mann legte Widerklage ein und verlangte, da der Anwalt seine Pflichten aus dem Mandatsvertrag (Falschberatung) verletzt habe, Schadensersatz.

Entscheidung des BGH: Pillen-Fall

Das BGH bestätigte die Entscheidungen der Vorinstanzen. Die Widerklage ist erfolgreich. Der Anwalt hat seine Pflichten aus dem Mandatsvertrag (§§ 675, 611 BGB) als Schuldverhältnis schuldhaft verletzt. Für die Zuerkennung eines Schadensersatzanspruchs bestand keine Aussicht, sodass der Anwalt auf das besondere Risiko zur Durchführung des Vorprozesses hätte hinweisen müssen. Schadensposten sind die im Rahmen des Verfahrens entstandenen Kosten.

Vertragliche Schadensersatzansprüche des Vaters gegen die Frau vereint der BGH. Im Hinblick auf die Vereinbarung mit Pille zu verhüten, besteht kein entsprechender Rechtsbindungswille der Lebenspartner. Die Abrede über den Gebrauch empfängnisverhütender Mittel berührt den engsten persönlichen Freiheitsbereich und ist daher einer rechtsgeschäftlichen Regelung nicht zugänglich. Außerdem wäre ein solches Rechtsgeschäft nach § 306 BGB oder nach § 138 BGB nichtig. Die Entscheidungsfreiheit hinsichtlich der Nutzung von Verhütungsmitteln betrifft den engsten Kern der Persönlichkeit und der Entfaltung in Selbstbestimmung. Dies gilt selbst dann, wenn ein Partner dies dem anderen nicht mitteilt. Deliktische Ansprüche (§§ 823 ff. BGB) scheiden vor allem im Interesse des Kindes aus. Der Intimbereich zweier volljähriger Partner, die beim freiwilligen Geschlechtsverkehr nicht nur ihr sexuelles Bedürfnis befriedigen, sondern das Entstehen von Leben verantworten, unterliegt im Falle der Geburt eines Kindes grundsätzlich auch dann nicht dem Deliktsrecht, wenn der eine Partner dabei den anderen Teil über die Anwendung von empfängnisverhütenden Maßnahmen (hier: Einnahme der Pille) getäuscht hat.

Schlussfolgerungen

Wer mit jemanden schläft, riskiert eine (ungewollte) Schwangerschaft. In anderen Worten: Dem freiwilligen und selbstverantwortlichen Geschlechtsverkehr ist das Risiko einer Schwangerschaft immanent. Daher liegt es im Verantwortungsbereich beider Partner für die Verhütung zu sorgen. Hier sollten Partner eine einvernehmliche Lösung finden. Dieser Online-Shop kann helfen. Natürlich zerstört es die Vertrauensbasis in einer Beziehung, wenn eine Partei – egal ob Mann oder Frau – bewusst über die Nichtverwendung von Verhütungsmitteln täuscht, um seine Ziele zu erreichen. Sofern „Unfälle“ passieren, sollten die zukünftigen Elternteile aber dafür einstehen.

Bild von Sasin Tipchai auf Pixabay


LG JuraQuadrat · §² · Jura macht Spaß

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