Verfahrensgrundsätze der ZPO · Zivilprozessrecht · Überblick

Das Verfahren vor den Zivilgerichten wird durch die Verfahrensgrundsätze der ZPO (Zivilprozessordnung) bzw. Prozessmaximen bestimmt. Zeit sich einen Überblick zu verschaffen.

I. Dispositionsgrundsatz

Dispositionsgrundsatz: „Recht der Parteien, über den Rechtsstreit als ganzen zu verfügen, ihn durch Initiative des Klägers in Gang zu setzen, den Streitgegenstand zu bestimmen, den Rechtsstreit durch Anträge voranzutreiben und ihn auch vorzeitig, d.h. ohne Urteil, zu beenden.“ (Musielak/Voit, § 3 Rn. 205, Grundkurs ZPO, 14. A, 2018, München).

Das bedeutet, dass die Parteien Herrinnen des Verfahrens sind. Sie entscheiden frei, ob sie einen Prozess beginnen, welchen Gegenstand dieser hat und ob sie den Prozess beenden.

Gegenteil: Offizialgrundsatz: Das Verfahren wird von Amts wegen eröffnet und beendet. Die Offizialmaxime gilt nach § 152 I StPO im Strafprozessrecht. Dort ist der Staat Herrin des Verfahrens (vgl. Musielak/Voit, § 3 Rn. 206, Grundkurs ZPO, 14. A, 2018, München).

Verfahrensbeginn

Das Verfahren beginnt mit der Erhebung durch Klage, §§ 253 I, 261 II BGB

Bestimmung des Streitgegenstandes

Der Kläger kann nach §§ 253 I, 261 II BGB den Verfahrens- bzw. Streitgegenstand frei durch Stellung eines bestimmten Antrags und des Grundes des erhobenen Anpruchs frei entscheiden. Das Gericht ist nach § 308 I ZPO an den Antrag des Klägers gebunden.

Verfahrensbeendigung

Die Parteien entscheiden, ob sie einen Prozess vorzeitig, d.h. ohne Urteil, beenden wollen. Es gibt mehrere Möglichkeiten. Der Kläger kann die Klage zurücknehmen (§ 269 ZPO) oder auf den geltend gemachten Anspruch verzichten (§ 306 ZPO). Der Beklagte kann den Anspruch des Klägers anerkennen (§ 307 ZPO). Die Parteien können einen Prozessvergleich schließen (§ 794 I Nr.1 ZPO) oder den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklären (§ 91a ZPO).

II. Verhandlungsgrundsatz / Beibringungsgrundsatz

Verhandlungs- bzw. Beibringungsgrundsatz: Den Parteien obliegt es, diejenigen Tatsachen, über die das Gericht entscheiden soll, vorzutragen und, soweit erforderlich, zu beweisen (vgl. Musielak/Voit, § 3 Rn. 208, Grundkurs ZPO, 14. A, 2018, München).

Das Gericht darf nur die von den Parteien vorgetragenen Tatsachen berücksichtigen. Dennoch besteht ein nicht unerheblicher Einfluss auf die Beibringung der Tatsachen. Nach § 138 I ZPO gilt die Wahrheitspflicht. Diese wird ergänzt durch die richterliche Hinweispflicht nach § 139 ZPO („kritischer Blick“). Zweifel können von den Parteien durch Beibringung von Tatsachen ausgeräumt werden (vgl. Musielak/Voit, § 3 Rn. 209, Grundkurs ZPO, 14. A, 2018, München).

Gegenteil: Amtsermittlungs- bzw. Untersuchungsgrundsatz: Die Beschaffung und der Beweis der entscheidigungserheblichen Tatsachen erfolgt aufgrund des öffentlichen Interesses an einer umfassenden und richtigen Aufklärung der tatsächlichen Grundlagen einer gerichtlichen Entscheidung von Amts wegen durch das Gericht, z.B. §§ 26, 29 FamFG (Familiensachen), § 86 VwGO, §§ 155 II, 244 II StPO, § 83 I 1 ArbGG. (vgl. Musielak/Voit, § 3 Rn. 208, Grundkurs ZPO, 14. A, 2018, München).

III. Anspruch auf rechtliches Gehör

Der Anspruch auf rechtliches Gehör findet seine Grundlage in Art. 103 I GG und Art. 6 I EMRK. Danach sind die Gerichte verpflichtet, jeder Partei die Gelegenheit zu geben, sich vor einer gerichtlichen Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu ihrem Standpunkt zu äußern. Das Gericht muss sich aktiv mit dem Parteivortrag auseinandersetzen („Echoprinzip“).

IV. Grundsatz der Mündlichkeit

Grundsatz der Mündlichkeit: Die Parteien verhandeln nach § 128 I ZPO mündlich vor dem erkennenden Gericht. Denn durch Rede und Gegenrede lässt sich vieles besser und schneller klären als durch den Austausch von Schriftsätzen Die Entscheidung darf nur auf das in der mündlichen Verhandlung Vorgetragene gestützt werden. Nach § 309 ZPO kann ein Urteil nur von den Richtern gefällt werden, die dem letzten mündlichen Verhandlungstermin beigewohnt haben (vgl. Musielak/Voit, § 3 Rn. 216, Grundkurs ZPO, 14. A, 2018, München).

Um dem Bedürfnis nach Beschleunigung des Verfahrens und Fixierung gerecht zu werden, wird in einigen Fällen der Grundsatz der Mündlichkeit eingeschränkt bzw. mit schriftlichen Elementen kombiniert, z.B. Vorbereitung der mündlichen Verhandlung durch Schriftsätze, §§ 129, 272 II ZPO, Bezugnahme auf Schriftsätze, §§ 137 III, 297 II ZPO, schriftliches Vorverfahren, §§ 128 I, II, 276, 495a ZPO (vgl. Musielak/Voit, § 3 Rn. 216ff., Grundkurs ZPO, 14. A, 2018, München).

V. Unmittelbarkeitsgrundsatz

Unmittelbarkeitsgrundsatz: Die Verhandlung des gesamten Rechtsstreits muss vor demselben Gericht stattfinden und dieses Gericht hat nach der Beweisaufnahme auch die Entscheidung zu treffen, §§ 128 I, 309, 355 I 1 ZPO (vgl. Musielak/Voit, § 3 Rn. 221, Grundkurs ZPO, 14. A, 2018, München). Ausnahmsweise (z.B. §§ 355 I 2, 361, 362 ZPO) darf die Beweisaufnahme einem beauftragten oder ersuchen Richter übertragen werden (vgl. Musielak/Voit, § 3 Rn. 222f., Grundkurs ZPO, 14. A, 2018, München).

VI. Öffentlichkeitsgrundsatz

Öffentlichkeitsgrundsatz: Nach § 169 GVG sind mündliche Verhandlungen vor dem Zivilgericht grundsätzlich öffentlich. Jeder muss sich Kenntnis von Ort und Zeit der Sitzung verschaffen können und im Rahmen der tatsächlichen Gegebenheiten Zutritt erhalten („Saalöffentlichkeit“). Dadurch wird die richterliche Tätigkeit transparent und das Vertrauen in eine unabhängige und neutrale Rechtspflege gepflegt (vgl. Musielak/Voit, § 3 Rn. 224ff., Grundkurs ZPO, 14. A, 2018, München). Ausnahmen werden in besonders privaten Angelegenheiten (z.B. Familiensachen, § 170 I 1 GVG; aber öffentliche Urteilsverkündung, § 173 GVG).

VII. Verfahrensbeschleunigung

Grundsatz der Verfahrensbechleunigung: Das Verfahren muss vom Gericht zügig durchgeführt werden. Eine zu lange Verfahrensdauer verstößt gegen das Gebot effektiven Rechtsschutzes. Dadurch soll die Tatsachenfeststellung erleichtert und der Rechtsfrieden gewahrt werden.

Ausprägungen sind z.B. §§ 273, 230 ff. 330 ff. 296 ZPO.

Nach § 272 I, III ZPO ist der Prozess in einem einzigen, möglichst früh anzusetzenden, mündlichen Verhandlungstermin, zu führen. Bei einem Verstoß gegen die Prozessförderungspflicht kann das Vorbringen der Partei nach § 296 I ZPO präkludiert werden.

VIII. Anspruch auf ein faires Verfahren

Anspruch auf ein faires Verfahren: Dieser Grundatz wird vom BVerfG (BVerfG NJW 2004, 2287; 2008, 2243 Rn.16, 2014, 205 Rn.20) aus Art. 2 I GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitet. Das Gericht wird u.a. zur Objektivität und Neutralität gegenüber den Parteien verpflichtet (vgl. Musielak/Voit, § 3 Rn. 203, Grundkurs ZPO, 14. A, 2018, München).

Bildquelle: Pixabay von 3D Animation Production Company (Pixabay License)

DANKE!

LG Juraquadrat

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